Geschichte (Stand 2013)
Seit ich 2006 mit der sporadischen Zucht von Neophemen begann, sind vereinzelt immer wieder Küken verkümmert und gestorben, wobei mir erst Jahre später klar werden sollte, daß es dabei um das selbe Phänomen handelte. Dabei kamen mir nachträglich die vielen Fotos zugute, die ich während der Bruten gemacht habe.
Nach der Zuchtaufgabe im Sommer 2012 dauerte es weiterhin noch etliche Monate, bis ich zu einem Ergebnis kam, da diese Viruserkrankung im deutschsprachigen Raum nicht sehr beachtet ist oder oft mit der Französischen Mauser in einen Topf geworfen wird, da beide Viren in die Polyomagruppe gehören.
Jedoch unterscheiden sich die Symptome erheblich, da die Französische Mauser erst ab einem Alter beginnt, in dem die an BFD erkrankten Küken bereits gestorben sind. So beginnen die Federprobleme bei der Französischen Mauser meist ab drei Wochen, wenn die Küken schon weitgehend voll befiedert sind, während die BFD-Fälle meistens nicht älter als ein bis zwei Wochen werden und durch die verzögerte Entwicklung meist noch gar kein nennenswertes Gefieder ausgebildet haben.
Zusätzlich war ich relativ lange auf einem Irrweg, weil einerseits im Sektionsbefund der Test auf Polyoma negativ ausgefallen war und andererseits durch einen Hinweis die fixe Idee eines E. coli-Befalles entstand. Da sich nichts passenderes anbot, suchte ich lange erfolglos in dieser Richtung weiter, wobei mir kein Züchter, kein Arzt und keine Klinik einen Zusammenhang zwischen E.coli und einer derartigen Ausformung bestätigen konnte, wobei ich es aber nicht wirklich ausschließen konnte, da ein mäßiger Befall von E.coli in meinem Bestand nachgewiesen wurde.
Die zeitliche Entwicklung in meinem Bestand gestaltete sich folgendermaßen:
Verwechslungsmöglichkeiten
Es handelt sich hierbei um die bei Wellensittichen zuerst beschriebene sogenannte Budgerigar Flegdling Disease - BFD, wörtlich übersetzt "Wellensittich-Nestlings-Krankheit". Sie ist als Nestlingskrankheit, Jungvogelkrankheit, Nestlingssterblichkeit bei Wellensittichen oder anderen ähnlichen Betitelungen zu finden. Ausgelöst wird diese Krankheit durch einen Virus aus der Polyomafamilie.
BFD ist nicht zu verwechseln mit "Polyoma", womit generell die Französische Mauser (Hopser-, Rennerkrankheit) gemeint ist, und auch nicht mit PBFD (Psittacine Beak and Feather Disease), das eine ähnliche Abkürzung hat. In der Tat wird die Französische Mauser zwar auch durch einen Virus aus der Polyomafamilie ausgelöst, jedoch durch einen anderen als BFD, und für PBFD ist ein Virus aus der Circofamilie verantwortlich.
Manchmal wird als Ursache für BFD auch Papova genannt, was insofern heute nicht mehr richtig ist, als dies früher ein Überbegrif für Polyoma, Papilloma und SV40 war. Dieser Begriff ist inzwischen in der Taxonomie nicht mehr gültig ist.
Symptome
Sporadisch traten Küken auf (insgesamt acht von 21 gesunden und vier ungeklärten Todesfällen innerhalb von acht Jahren), die ab einem gewissen Alter "aufhörten zu wachsen", vermutlich jedoch bereits von Beginn an verzögertes Wachstum. Spreizbeine, rachitisch wirkende Beine, verkümmerte Zehen, verkümmerte Flügel, zum Teil Asymmetrie, roter geschwollen wirkender Unterbauch, Augen öffnen sich nicht oder, sofern das Küken lange genug lebt, erst viele Tage später, teilweise verengte Lider, Küken können oft nicht sitzen. Tod tritt ein zwischen zehn und 16 Tagen, in zwei Fällen mit 24 Tagen. Ein einziges Küken überlebte. Keine Symptome bei den adulten Vögeln, sowohl bei Bourkesittich als auch bei Schönsittich, Schmucksittich bislang verschont.
Das letzte verkümmerte Küken ließ ich nach seinem Tod sezieren, auch hier waren die Erkenntnisse eher schütter:
Untersuchungsbefund (VetMed Wien)
Schönsittich, weiblich, geb. 8.7.12, 22 g schwer, Ring rot Metall geschlossen: A IVÖ 4.0 12 001
US-Material: Tierkörper
Übernommen am: 03.08.2012
Durchgeführte Untersuchungen:
Sektion, virologische, parasitologische und histologische Untersuchung
Befund:
Minderguter Nährzustand; unsymmetrische Federentwicklung; deutliche Schwellung der Leber, oligofokal frische Gruppennekrosen von Leberzellen; im Kropf reichlich Futter; Magen-Darmtrakt gut gefüllt, am Übergang von Drüsen- in Muskelmagen geringgradige entzündliche Infiltration der Schleimhaut; angrenzend an den Magen geringgradige Fettgewebsnekrosen; Hyperämie der Lunge mit verdichtetem Lungenparenchym; Herz in Relation groß; übrige Organe einschließlich Gehirn ohne Besonderheiten.
Die virologische Untersuchung eines Organpooles auf Polyoma- und Circovirus mittels PCR, durchgeführt am Institut für Geflügel, brachte ein negatives Ergebnis.
Die parasitologische Untersuchung der beigelegten Sammelprobe, durchgeführt am Institut für Parasitologie, brachte ein negatives Ergebnis.
Diagnose:
Ätiologisch unklare unspezifische Lebernekrosen. Für den genannten Vorbericht konnte keine zugrundeliegende Ursache gefunden werden. Möglicherweise spielen alimentäre Ursachen (z.B. Folsäure-, Biotin-, Niacin-, Vitamin B-Mangel) eine Rolle. Ein Zusammenhang des Bestandsproblemes mit den bestehenden Lebernekrosen kann aufgrund der Untersuchungsergebnisse im vorliegenden Fall eher ausgeschlossen werden.
Erkenntnisse
Erst nach längerer Recherche wurde ich durch Zufall in einem Wellensittichforum fündig, wo jemand genau die Symtpome beschrieb, die bei mir aufgetreten sind. Dieser Spur folgend teilte mir Gerd Bleicher - ein sehr renommierter deutscher Wellensittichzüchter - mit, daß es sich hierbei um BFD (Budgerigar Fledgling Disease) handle, eine Viruserkrankung, die im deutschsprachigen Raum kaum diskutiert würde, wohingegen es jedoch einige Publikationen in England und Kanada gebe.
Letztendlich konnte ich anhand einiger englischsprachiger Veröffentlichungen eine Übereinstimmung mit meinem Fall feststellen, sowohl in Bezug auf die Symptome, Sterbealter und Auftreten, als auch in dem erwähnten Umstand, daß eine bakteriologische und virologische Untersuchung bei toten Jungvögeln keinen Nachweis erbrachte, was erklärt, weshalb auch bei meinem Befund das Ergebnis negativ war. Laut Literatur gelang die erste Isolierung des Virus erst bei einem Wellensittich-Embryo.
Einen ersten passenden Hinweis in deutscher Sprache fand im Text rechts.
Quelle leider unbekannt - bei Copyrightverletzung bitte bei mir melden! ankasz@gmx.net
Weitere Quellen
Diesbezüglich waren vor allem jene beiden Abhandlungen für mich hilfreich (auf Englisch):
Outbreaks of budgerigar fledgling disease in threeaviaries in Ontario, by Joan F. Gough 1989
Budgerigar Fledgling Disease (Papovavirus) in Pet Birds, by Richard S. Kingston 1992
Im deutschsprachigen Bereich konnte ich bislang nur folgende Leseprobe finden:
Auszug aus "Krankheiten der Heimtiere" von Karl Grabisch (Kap. 16.4.1.4)
Behandlung
Nach eingehendem Studium diverser Quellen steht fest, daß es derzeit keine Behandlungsmöglichkeit gegen BFD gibt. Einzig sinnvoll ist eine Zuchtpause sowie eine gründliche Desinfektion mit Jod-hältigen Mitteln bzw. Bleichmitteln. Es wurde auch versucht, die Sittiche nach Geschlecht zu trennen und für sieben oder acht Monate aus der Voliere zu nehmen - teilweise wurden Erfolge erzielt, teilweise brachte das gar nichs.
Für mich käme das allerdings auch nicht in Frage, da ich dafür gar keine Räumlichkeiten hätte.
Sobald ich etwas neues berichten kann, werde ich es hier darlegen.
Bis auf weiteres sind für 2013 keine Bruten geplant - und ich bin halbwegs beruhigt, daß der Virus zumindest meinen Altvögeln nicht schädlich werden kann.
Danksagung
Mein besonderer Dank gilt Gerd Bleicher, der mir in dieser Sache erheblich weiterhelfen konnte und mich trotz seines gefüllten Terminplanes dennoch ausführlich beraten hat!
Nachtrag (Stand 2016)
Im Jahr 2014 und 2015 erkrankten zwei Bourkesittich-Altvögel, beide 2006 bei mir geschlüpft. Sie sahen aus wie die typischen "Hopser" der Rennerkrankheit (Polyoma), wurden flugunfähig und starben beide acht bis zehn Monate später.
2016 sterben vier Vögel (Bourke, Schmuck, zwischen 6 Monate und 10 Jahren) sehr plötzlich ohne vorherige Symptome aus ungeklärtem Grund,. Am fünften (Schmucksittich von 2011, bei mir geschlüpft) werden derzeit Untersuchungen durchgeführt. Bislang ergab sich daraus eine massive Nierenschädigung, nur wird noch versucht, einen Virus nachzuweisen oder die sonstige Ursache dafür herauszufinden.
Ein weiterer Bourkesittich (sechs Monate) ist derzeit nicht fit: Federverlust am Kopf, generell etwas zerzaust, schläft sehr viel, frißt aber gut. Polyomanachweis aus Federn und Wurmbefall im Kot war beides negativ.